Der Wachsblock – ein Langzeitprojekt
2006 | Entstehung
Gemeinsam mit einem guten, alten Freund, dem Wärmebildhauer Christian Hardt, habe ich 2006 das Langzeitprojekt »Der Wachsblock« ins Leben gerufen. In der Werkstatt von Heinz Schulze (Hitzacker, Wendland) wurden 100 kg Bienenwachs geschmolzen und zu einem Würfel (Kantenlänge 46 cm) gegossen. Vom Gießen gilt es zu berichten, dass es nicht einfach war. Die Schmelze ging gut von der Hande, was auch der Ausstattung der Werkstatt zu danken war. Die Gießform und das Abkühlen aufeinander abzustimmen, damit das Wachs sauber aushärten kann, forderte viel Überlegung. Die entscheidende Hilfe erfolgte dann nicht ingenieursseitig, sondern über den Hinweis einer 12-Jährigen, die ihre Erfahrung entsprechend einbrachte.
2007 | Ankunft in den Goethe-Anlagen in Kassel
Nachdem der Guss erfolgreich abgeschlossen war, hat Christian Hardt ein Fahrzeug konstruiert und entsprechend (um)gebaut, sodass es – basierend auf einem ausgemusterten Rollstuhl – gut zum Transport des Blocks geeignet war. Der Holzkünstler Joachim Döll komplettierte die Grundlage für die anstehende Performance. Er schuf eine Holzbox, die zum Schutz (als Kiste) und zur Präsentation (als Sockel) eingesetzt werden konnte. Mit dieser Ausstattung haben wir uns dann zum Start der documenta 12 nach Kassel begeben, wo der Wachsblock die nächsten 100 Tage an unterschiedlichen Orten (in ganz Kassel, besonders im Umfeld der Ausstellung) wirken sollte. Christian Hardt verbrachte die 100 Tage in Kassel, sodass der Projektplan nicht gefährdet wurde. Eine Art Zuhause für Block und Vehikel wurde die Station 15, ein unterirdisches ehemaliges Trafogebäude in den Gothe-Anlagen, das während der 100 Tage der documenta 12 auch diversen wechselnden Kunstperformances eine Bühne bot.
2007 | während der documenta 12 – Impressionen
Während der 100 Tage in Kassel war der Wachsblock an vielen, an sehr vielen Stellen zu sehen, er nomadisierte (wie geplant) durch die ganze Stadt, durch sämtliche Schichten und Orte der Begegnung, von der Unterkunft für Obdachlose bis zur Kunsthochschule, von den Karlsauen bis zum Herkules, vom Gespräch mit Grundschülern bis zum Vortrag für eine Delegation des Lions-Club. Der Block sollte sämtliche (zumindest wesentliche) Stimmungen erfahren und symbolisch aggregieren.
Der Wachsblock – was sollte und soll das Ganze?
How to Explain Politics to a Seemingly Dead Audience?
Um dem hier Gesagten besser folgen zu können, muss weiter ausgeholt werden. Das ursprüngliche Projekt war zwar klar aber doch auch recht komplex angelegt. Ich darf mich in einer kurzen Zusammenfassung versuchen. Der Folder, den wir damals projektbegleitend verteilt haben, fasst den Projektgedanken summarisch zusammen.
- Alle, die unsere parlamentarische Demokratie im besten Sinne pflegen wollen und gleichzeitig keine Partei als Vertretung ihrer Interessen ausmachen können, sind zur Mitgestaltung eingeladen. Ihre Stimme ist zu wertvoll, um ungenutzt zu bleiben!
- Wir sind ein Zusammenschluss von Menschen, die durch einen einenden Gedanken auf die politische Gestaltung in unserem Land – im zweiten Schritt auch auf europäischer Ebene – einwirken wollen.
- Wir suchen die »Perlen« unserer Gesellschaft, Mitbürger, die – als Nicht-Berufspolitiker – ihre Kraft in Belange der Gemeinschaft investiert haben und so mit ihrem guten Namen für die Förderung gemeinschaftlicher Lebensqualität stehen.
- Diese Menschen wollen wir bitten, ihre Leistung über eine Legislaturperiode für die Arbeit im Parlament bereitzustellen.
- Zwölf Wochen vor der Wahl werden fünfzig dieser Menschen nach einfachem Wahlverfahren ausgesucht, um so die Kandidaten der Hambacher Liste zu bestimmen.
- Vom Einzug dieses Personenkreises ins Bundesparlament erwarten wir wertvolle Impulse, die das politische Geschehen heilend bereichern sollen.
- Bei der Hambacher Liste geht es nicht um die Befriedigung individueller Befindlichkeiten, die Motivatoren tauchen ja selbst nicht als Kandidaten auf.
Das Projekt »Der Wachsblock« (Stand Juni 2007) »
2007 | im »Erfahrungsfeld der Sinne«
Nach den 100 Tagen in Kassel hat der Block dann ins »Erfahrungsfeld der Sinne«, ins Schloss Freudenberg » nach Wiesbaden gefunden. An diesem besonderen, an diesem schönen Ort war es leichter, die Besucher zu erreichen. Das ganze Haus ist von einer Aura der Sensibilität durchzogen, die unserem Projekt zu Gute kam und auch von ihm unterstützt wurde. Die Zeit auf dem Freudenberg hat der Aggregation von Stimmungen noch einmal kräftig Vorschub geleistet.
2010 | die Wachselemente (Ziegel) entstehen
Die noch bis in die Zeit auf der documenta 12 erhoffte Umschmelze des Blocks fand in dieser Form leider nicht statt. Keine schöne aber eine durchaus lehrreiche Erfahrung. An Epiphanias 2010 war es dann soweit. Der Block wird von Christian im Garten von Schloss Jahnishausen über offenem Holzfeuer geschmolzen und in 48 Wachselemente (genannt Ziegel) umgegossen. Es entsteht die »Wachsbatterie«. Die einzelnen Elemente stehen nun zur Verfügung, um besonderes soziales Engagement zu honorieren (die Perlen der Gesellschaft zu benamen und auszuzeichnen) und als Basis für weitere Performances, die den ursprünglichen Gedanken des Projekts in neuer Form adressieren und umspielen.
2012 | fase nueva
Im August 2012 besuchen wir die documenta 13 und haben eines der 48 Wachselemente (Nr. 8) im Gepäck. Wieder sind wir in den schönen Räumen von Ingrid Pee zu Gast. Abgesehen vom erwähnten Detail wollen wir die Erlebnisse dieses Aufenthalts für uns behalten.
2012 | Besuch der »figura magica«
Im Anschluss an die documenta 13 haben wir den Wuppertaler Künstler und Schüler von Joseph Beuys Bodo Berheide » und seine »figura magica« in Wuppertal besucht. Bodos Plastik (die an eine Stimmgabel und auch an ein Hufeisenmagnet erinnert) war 18 Jahre auf Weltreise (Wuppertal; Dublin, Irland 1991–93; Montreal, Kanada 1993–95; Bethany, West Virginia USA 1995–97; Managua, Nicaragua 1997–99; Santiago de Chile 1999–2000; Sydney, Australien 2001-03; Omishima, Japan 2003-05; Colombo, Sri Lanka 2005-07, Lomé, Togo 2007-09; Wuppertal) und hat nun ihren Platz vor dem Tanztheater in Wuppertal gefunden. Wir haben symbolisch etwas Rost von der Skulptur abgetragen und diesen gemeinsam mit einem Ziegel auf der Wuppertaler Königshöhe aufbereitet. Am nächsten Tag wurde das aufgearbeitete Wachs in der Galerie Kunstkomplex erneut geschmolzen und – jetzt Enkaustiken werdend – in zwanzig entsprechend vorbereitete Formen aus Hartpappe gegossen. Nr.1 und Nr.20 dieses Auflagenobjekts hat Bodo erhalten, die übrigen Enkaustiken werden wiederum verliehen, um entsprechende Leistungen im Felde des Sozialen zu ehren.
2012 | der OMNIBUS für Direkte Demokratie wird 25!
Ein guter Grund für eine schöne Feier. Anlässlich der 25-Jahr-Feier dieses Projekts haben wir dem Geschäftsführer des OMNIBUS », Michael von der Lohe, vorgeschlagen, die Feier mit der Verleihung eines Wachselements zu bereichern. Zu unserer Freude hat er zugestimmt. Im Rahmen der Feierlichkeiten, die auf Schloss Freudenberg » stattfanden, haben wir – ganz am Rande des Geschehens – das Signieren unserer Auflagenobjekte abgeschlossen. Damals überraschend, aber nur bedingt verständlich, wurde uns aus Australien keine Übersetzung zur Verfügung gestellt. 2022, zur documenta fifteen, soll uns das klarer werden. Wir dürfen auf einen wunderbaren Tag zurückblicken.
2017 | symbolische Präsenz auf der documenta 14
Im Jahre 2017 besuche ich wieder das schöne Gästehaus der wunderbaren Ingrid Pee. Diesmal führe ich ein Auflagenobjekt mit mir, das anlässlich des 3. Dantesymposions der Accademia Dantesca Jahnishausen entstand. Die Veranstaltung fand im schönen Garten von Christian Hardt in Staucha statt. Der Garten grenzt – leicht erhaben gelegen – direkt an die historische Mauer zu St. Johannes an, sodass man auch sitzend schön hinab in den Kirchgarten blickt. Unser Thema war Osip Mandelstams »Gespräch über Dante«, und unsere Textgrundlage war die Henssel Ausgabe, Reihe textura. Wir haben einen Bogen zur bevorstehenden documenta geschlagen, den Gedanken des Ornaments vom Gedanken des Musters geschieden. Es ging (und geht) uns um Teilhabe. Es geht darum, Produktionsästhetik und Rezeptionsästhetik sich wechselseitig schöpfen zu lassen. Wie es der Zufall wollte, wusste Ingrid noch von einem Mandelstam-Kenner zu berichten, der ganz in der Nähe lebt. So fügte es sich, dass der Tiefensoziologe Stefan Mitzlaff die kleine Performance am Beuys-Baum durch seine Anwesenheit und im Gespräch schön bereicherte.
2022 | inzwischen findet die documenta fifteen statt
Zur documenta fifteen haben wir im Juli 2022 einen der Wachsziegel an selbigem Beuys-Baum in die Erde gegeben, der Natur zum Teil zurückgegeben, was wir ihr durch den Guss des großen Würfels genommen haben. Nachdem das Loch geschlossen und die Grasscholle wieder gepfropft, spannt sich neben dem Beuys-Ahorn sofort ein großer symbolischer Baum auf und lässt es fortwährend ruhige und schöne Gedanken regnen …
Wieso aus Australien keine Übersetzung kam, konnten wir nach unserem Treffen mit Richard Bell gut verstehen. Richard Bell meistert das Zusammenspiel von Kunst und politischer Kritik sehr nuanciert und fein – auch wenn er dabei häufig auf recht kräftige Provokation setzt. Es wird rasch klar, dass es diese Form des Angangs bisweilen durchaus braucht. »White girls can’t hump«.
Bitte nutzen Sie doch die Gelegenheit und informieren sich abseits dieser Seite, welche Position/en Richard Bell vertritt und wie er auf diese aufmerksam macht. Ein sehr ehrenhaftes und auch sehr notwendiges Unterfangen. Eine erste Anlaufstelle bieten wiki » und youtube »
Sie wollen mehr erfahren? Das ist gut! Lesen Sie hier Bell’s Theorem » – Eine automatische Übersetzung (durch Google) ins Deutsche finden Sie hier »
PS Schön, dass das Projekt weiterläuft …
PPS Die Fotos auf dieser Seite sind von Jan Karl Lamboy, Christian Hardt und mir erstellt. Das Foto mit Richard Bell verdanken wir einer Mitarbeiterin von ihm. Ihren Namen habe ich aktuell leider nicht präsent.