Ich möch­te woll­te mit Euch über Deni­se Mor­in-Sin­clai­re und Pierre Klos­sow­ski spre­chen: zwei Namen, die im Geis­te des Lesers nur weni­ge oder sehr vie­le Asso­zia­tio­nen auslösen.

Deni­se Mor­in-Sin­clai­re wur­de 1918 gebo­ren, hat Pierre Klos­sow­ski 1947 gehei­ra­tet und 1970 die Publi­ka­ti­on des Wer­kes »La Mon­naie Vivan­te« in ihrer Eigen­tüm­lich­keit, ihrer Ein­zig­ar­tig­keit unterstützt.

Je parle de rien du tout

 

Es soll­te hier um Pierre Klos­sow­skis Büch­lein »La Mon­naie Vivan­te« gehen, und wir woll­ten uns die­sem Text nähern, indem wir uns von einem Gedan­ken von Heinz von Foers­ter beglei­tend unter­stüt­zen las­sen, einem Gedan­ken, der uns den Blick­punkt ins rech­te Licht (ver)schiebt:  »The cau­se lies in the future.« – »Die Ursa­che liegt in der Zukunft, die Hand­lung in der Gegenwart.«

Aber …

— Pau­se —

 

Zu Pierre Klos­sow­ski (* 1905 † 2001) höre ich ganz unter­schied­li­che Stimmen.

»Wie­der nur der Ver­such eines Man­nes, das für ihn Uner­reich­ba­re anzu­schlei­men und etwas in Kate­go­rien zu fas­sen, das er nicht ver­steht?« – eine Reak­ti­on aus dem Freun­des­kreis auf Klos­sow­skis Text »Das Bad der Dia­na« (um den es wohl in einem der nächs­ten Bei­trä­ge gehen wird).

 

»Sieht man von der Pro­vo­ka­ti­on des Klos­sow­ski­schen Den­kens ab, erwei­sen sich sei­ne Bei­trä­ge als eher beschei­den, hoff­nungs­los über­be­wer­tet. Klos­sow­ski war lan­ge Zeit zur rech­ten Zeit am rech­ten Ort, wur­de so vom rele­van­ten (weil publi­zier­ten) Teil der fran­zö­si­schen Intel­li­genz mit-getra­gen.« – eine wei­te­re Reak­ti­on aus dem Freun­des­kreis, dies­mal auf das Gesamt­werk bezogen.

 

Michel Fou­cault hin­ge­gen, sieht Pierre Klos­sow­ski ganz anders. »La Mon­naie Vivan­te« bezeich­net er etwa (Anfang der 70er Jah­re des 20. Jhdts.)  als das »größ­te Buch unse­rer Zeit« – »It is such a gre­at book that ever­y­thing else rece­des and counts only half as much any­mo­re. This is what we should have been thin­king about: desi­re, value, and the simu­la­crum.«. Sie ver­zei­hen bit­te, dass mir hier sei­ner­zeit nur eine eng­li­sche Über­set­zung von Fou­caults Aus­sa­ge vor­liegt.

Hmm …

Zu Deni­se Mor­in-Sin­clai­re (* 1918 † 2019) höre ich wenig, ganz wenig, fast nichts, zu wenig – Deni­se Mor­in-Sin­clai­re erfah­re ich sehend.

 

PS »Deni­se und Pierre? Beein­dru­cken­de Per­sön­lich­kei­ten – Per­sön­lich­kei­ten einer eige­nen Hoch­kul­tur!« – noch eine Reak­ti­on aus dem als nah emp­fun­de­nen Umfeld, die ich erst an die­ser Stel­le Erwäh­nung fin­den las­sen möch­te, um die Span­nung zwi­schen den ersten Posi­tio­nen bis hier­her (und ggf. auch ger­ne wei­ter) hal­ten zu kön­nen. Viel­leicht ist es auch ein­fach nur ein Zusam­men­fas­sen, aus dem Kon­kre­ten geho­ben, ins Kon­kre­te geho­ben. Und – die Dame, die die­sen Ein­druck mit mir teilt, war zuge­gen, zuge­gen als Deni­se auf die Fra­ge nach ihrer beruf­li­chen Beschäf­ti­gung klar, deut­lich und miss­ver­ständ­lich unmiss­ver­ständ­lich sprach: »Je ne fais rien du tout.«

— Pau­se —

 

1918 Geburt (Lou­is Oscar Rotys Säe­rin (la semeu­se (Char­lot­te Ragot)) in Sil­ber)
1947 Hoch­zeit (Pierre-Alex­and­re Mor­lons Mari­an­ne (mir Con­s­tance Qué­niaux 2.0) in Alu­mi­ni­um)
1970 Publi­ka­ti­on (wie­der Rotys Säe­rin, jetzt in Nickel)
und ja, die hier abge­bil­de­ten Mün­zen sind »echt« (sonst hät­te der Bei­trag wohl wei­ter­hin Bedeu­tung aber kei­ner­lei Bedeutsamkeit).

Knifflige Signifik

 

Ich sag­te ja ein­lei­tend schon, dass wir uns dem Text nicht auf den übli­chen Wegen nähern wol­len kön­nen. Sinn, Bedeu­tung und Bedeut­sam­keit krei­sen im Kon­kre­ten, und wir sind (nun mal) (nun hier).

Las­sen Sie sich trotz­dem ein­la­den? Sie fin­den die deut­sche Fas­sung des Tex­tes (über­tra­gen von Gabrie­le Ricke und Ronald Voul­lié) bei Turia + Kant »
Beim glei­chen Ver­lag fin­den Sie hier » auch den Mate­ri­al­band »Wör­ter, Bil­der, Kör­per«, der sich einer Ent­rät­se­lung unse­res klei­nen Tex­tes widmet.

Die bebil­der­te Erst­aus­ga­be (1970 Paris, Éric Los­feld, Édi­teur) und auch ihre deut­sche Ver­si­on (Über­tra­gung und Vor­wort eben­falls von Gabrie­le Ricke und Ronald Voul­lié) aus dem Impuls Ver­lag (1982 Bre­men) fin­den sich der­zeit (08÷2023) – soweit ich es über­bli­cke – nur noch anti­qua­risch. Soll­ten Sie Inter­es­se zei­gen, leis­tet Ihnen die Meta-Such­ma­schi­ne Euro­buch » sicher gute Dienste.

Es mag Ihnen viel­leicht merk­wür­dig schei­nen. Die bebil­der­ten Aus­ga­ben ent­fal­ten den Text in eige­ner Form, set­zen dem Ver­ste­hen ein eige­nes Umfeld, adres­sie­ren das Lesen Leben anders (mir besser).

[Ganz am Ran­de: Ich konn­te und woll­te bei Gele­gen­heit auch auf den Geruch der drei Aus­ga­ben zur Spra­chen fin­den. Haben Sie die Bücher, kön­nen Sie dann – viel­leicht – tat­säch­lich fol­gen.  Ich weiß jetzt aller­dings (noch) nicht nicht mehr, ob das auch nur ansatz­wei­se von Rele­vanz sein könn­te. Wenn es um die Digi­ta­li­sie­rung von Lite­ra­tur geht, kommt (zumin­dest kam) der Geruch von Büchern häu­fig als fast tot­ge­rit­te­nes Pferd daher, wenn es um Digi­ta­li­sie­rung geht – bla bla bla – scha­de eigent­lich … Wis­sen Sie, wie es um die Doku­men­ta­ti­on von Gerü­chen bestellt ist, was vom Geruch bleibt, wenn er infor­ma­ti­siert (also vir­tua­li­siert) wird? Klar wis­sen Sie das, Sie müs­sen es sich ja nur vor­stel­len. Im kon­kre­ten Fall möch­te ich aber nicht auf das Grund­sätz­li­che hinaus.]

Nach­trag: Heu­te weiß ich es. Der Geruch der Erst­aus­ga­be ist gol­de­ner Schlüs­sel, öff­net alles.

— Pau­se —

 

Warum (nur) hier und jetzt zu schweigen ist

 

Vor Kur­zem erhielt ich »Wor­te dre­hen« von Jac­ques Der­ri­da und Safaa Fathy (Ver­lag Brink­mann & Bose », Ber­lin 2016). Als Dreh- und Angel­punkt die­ses Gesprächs »am Ran­de eines Film« kann eine Kachel ver­stan­den wer­den, die (mit Fried­rich Schle­gel gespro­chen) aus der Rei­he tanzt, um 180° gedreht das Mus­ter bricht, die Kache­lung bricht, stört. Rike Fel­ka über­setzt Fathy »End­lich. Das Haus in El Biar«, und Hans-Die­ter Gon­dek über­setzt Der­ri­da »C:  Flie­sen« (im Ori­gi­nal Car­re­la­ge, womit das Flie­sen gemeint ist). Der­ri­da sagt vie­les, Fathy sagt alles – bei­des schein­bar. So geht mir von Bild und Lek­tü­re ein Impuls aus, der mei­ne bereits auf­ge­reih­ten Buch­sta­ben, Wor­te, Sät­ze und Absät­ze ver­schwin­den lässt. Der Text ver­schwin­det, indem er nach Errei­chen sei­ner kri­ti­schen Dich­te kon­se­quent bleibt/wird(?) und kippt, in sei­ner gewon­ne­nen Prä­senz­lo­sig­keit gereif­te Plas­ti­zi­tät erlangt usw.

Ein­ge­den­ken­des umden­kend: [(Bered­tes) Schwei­gen ist Sil­ber, Reden ist (nur?) Gold]

Es ist merk­wür­dig, eine nicht gege­be­ne Spra­che bemü­hen zu wol­len, die eigent­lich am Gemein­ten vor­bei-führt und doch – so – mit­teil­sam ist, dass Unver­ständ­lich­keit ver­meid­bar scheint, jedoch alles füllt.

Die Pro­sa der Welt ist Oratur

— Pau­se —

 

Reicht als Bild­un­ter­schrift der alt-text?
zwei Exem­pla­re von Kants »Kri­tik der Urteils­kraft« (suhr­kamp taschen­buch wis­sen­schaft) die­nen Pierre Klos­sow­skis »Die Geset­ze der Gast­freund­schaft« (Rowohlt) als Epau­let­ten, dane­ben liegt ein wei­te­res Exem­plar der »Kri­tik der Urteils­kraft« (Reclam, 1910) – rechts davon eine Gold­mün­ze, gestal­tet von Albert Dési­ré Bar­re (10 Francs, Napo­le­on III) – rechts davon Jac­ques Der­ri­das »La Dis­sé­mi­na­ti­on« (Edi­ti­ons du Seuil) und die deut­sche Über­tra­gung »Dis­se­mi­na­ti­on« (Pas­sa­gen Verlag)

 

Jetzt den­ke ich an Jac­ques Der­ri­das Werk »La Dis­sé­mi­na­ti­on«, an das Cover der fran­zö­si­schen Edi­ti­on. Selt­sam, mei­ne deut­sche Aus­ga­be habe ich mit Geld bezahlt, das ich von der Degus­sa für Zahn­gold erhal­ten habe. Mein Arzt hat mir eine Kro­ne aus­ge­wech­selt, und ich habe reinves­tiert. Jetzt tref­fen sich (mir) so auch Gold und Silber.

 

zwi­schen­durch ein Ana­gramm: Deni­se Mor­in-Sin­clai­re = Indi­ces normalisieren
{La dis­sé­mi­na­ti­on de la semeu­se [Le secret de Lamiel est la sécré­ti­on de miel?]}

 

als alt-text und Bild­un­ter­schrift reicht uns eine Wie­der­ho­lung: kniff­li­ge Signifik

 

Was aber noch zum Buch, zu die­sem Buch von Jean­ne Fav­ret-Saa­da – zu genau die­sem Exem­plar –, gesagt wer­den muss: Das Buch wur­de ver­schenkt und die Beschenk­te hat es gele­sen, indem sie einen Trop­fen Blut aufs Cover brach­te. So hat sie einen Augen­blick von Sinn, Bedeu­tung und Bedeut­sam­keit in ein blei­ben­des Bild fixiert – eine Meisterleistung!

 

Im Jah­re 1999 wer­den die ersten Nach­fol­ger der Francs geprägt – Euros: äuße­rer Ring: Nickel-Mes­sing, Kern: Kupfernickel

 

Pierre stirbt 2001, Deni­se stirbt 2019

Pierre Klos­sow­ski spricht: »Nur indem es (ein ein­zi­ges Indi­vi­du­um) sich sei­ner eige­nen Zufäl­lig­keit über­lässt, kann es sich Zugang zur Tota­li­tät der Zufäl­le ver­schaf­fen und somit sei­ne Ver­gan­gen­heit als Zukunft wahr­neh­men.« … und Deni­se zeigt uns ihr Ant­litz, an einem Objek­tiv vorbeischauend.

Schluss: Die Ursa­che wird in der Zukunft gele­gen haben, die Hand­lung (wei­ter­hin) in der Gegenwart.

— gro­ße Pause —

 

Epilog?
Wir sind jetzt hier.

Bit­te, bit­te fra­gen Sie sich, ob Ihr All­tag von aus­rei­chend Zyklen und Zeit­lo­sig­keit beher­bergt wird!