Walter Benjamins Sürrealismus-Aufsatz verstehen (wollen)
Die Älteren erinnern sich, und die Jüngeren erinnern sich wohl auch. Es gibt da ein Buch, das meist recht hohe Wertschätzung erfährt, wobei dem Autor selten die gebotene Kritik zufällt. André Bretons »Nadja« aus dem Jahre 1928. Es gibt ein stilles Lesen, das diesen Bezug kehrt. Nadja, Léona Delcourt, lässt alles hinter sich, sodass wir uns finden könnten, wenn wir sie finden. Der Rahmen »Melusine« findet in den Rahmen »Santa Lucia«. Ach, ich denke, dass es sich für Sie, liebe Leserinnen und Leser, lohnt, mit auf diesen Weg zu finden. Lesen Sie, es sind nur ein paar Seiten …
Bretons »Nadja« findet sich neu oder antiquarisch für kleines Geld. Ich empfehle Ihnen, im Antiquariat zu suchen. Mit etwas Glück finden Sie ein Exemplar mit Anmerkungen, An- und Unterstreichungen. Ein Paratext, der Ihnen bei der Lektüre anregend sein möge.
Eine besondere Anregung bietet – ergänzend zu verstehen – auch »Nadja revisited« von Rita Bischof. Detailliertes, gewissenhaftes und durchweg behutsames Quellenstudium lässt uns Léona atmend begegnen. Aus den durchweg (sehr) schönen Büchern, die Sie bei Brinkmann und Bose » finden, sticht es mir (außerdem) als außerordentlich schön heraus.
Der Aufsatz »Der Sürrealismus – Die letzte Momentaufnahme der europäischen Intelligenz.« von Walter Benjamin findet sich in den Gesammelten Schriften Bd. II/1 Suhrkamp 1977 (S. 295–310). Sollten Sie diese Ausgabe gerade nicht zur Hand haben, können Sie auch die von mir bereitgestellte Version zu Rate ziehen (Literarische Welt, Nr. 5, Berlin 1929), die Sie hier als PDF finden »
Bitte erwarten Sie nicht, dass ich die üblichen Sätzchen aufsage. Und bitte erwarten Sie auch nicht, dass ich versuchen werden, Ihnen hier etwas Klarheit zu schaffen. Nein, ich kann und werde Ihnen nur ein paar Gedanken zuwerfen, die sich in und durch Sie entsprechend entfalten. Für die Bilder soll ähnliches gelten. Ach, einen Hinweis möchte ich Ihnen doch reichen. Kennen Sie Maurice Halbwachs?
Der ein oder andere ist bereit, sich auf mein Spiel einzulassen. Sonst wäre es bedeutungslos. Ich versuche, Ihnen möglichst wenig Information mit auf den Weg zu geben, Wesentliches nur »anzukratzen«. Fragen sind Spielwiesen für den Geist. Antworten sind Gefängnisse fürs Gehirn. Damit Sie sich hier wohlfühlen, wohlfühlen können, reiche ich eben keine Antworten. Und ist Ihnen das Angebot einmal zu lose, lesen Sie einfach weiter …
Zurück – Man muss Hegel vor sich haben, um ihn hinter sich haben zu können – dann ist man ohne ihn mit ihm. | analog zu nicht-euklid(i)scher Geometrie, Geometrie eigentümlicher Räume | Breton (und ein paar andere) – wo sie jeweils herkommen … | das Unbestimmende umspielen, damit spielen, schöpfen, gestalten – Zeitlichkeit des Bestimmten bei Schwerkraft betrachtet | Ich stelle mir einfach vor, dass Nadja Walter Benjamin begegnet ist und die beiden gemeinsam alt wurden. Ich muss von dieser Vorstellung Abstand nehmen. Dora (Dora? Wer ist jetzt Dora?), also Dora Sophie, kann ihr Lachen sonst nicht mehr halten. | Bewusstsein mit und ohne Selbstbewusstsein | Realität ist nur real, wenn sie magisch ist. Realität ist nur real, wenn es auch Schmutz gibt. Realität braucht Schwerkraft (vgl. Simone Weil) usw. | Das sagendere Sagen der Wagenderen ist der Gesang. Aber »Gesang ist Dasein« (Martin Heidegger) | Leibraum – Bildraum – Kunstraum – Eigenraum – rechnender Raum – Sichtungen des Raums. Was ist Raum, wenn Zeit nicht existiert? | Ich bin mir nicht sicher, ob Nadjas Zeichnungen schon ihre entsprechende Würdigung erfahren haben, wobei ich hier sicher nicht von Analysen, so differenziert, eloquent, brilliant und wohlwollend sie sein mögen, sprechen möchte. | Wer bin ich? Wer ist sie? Ach ja, Nadja ist ja mit dem Anfang assoziiert, Breton schreibt am Ende vom Beben. Was hat er verstanden? Ist er nicht auch vorwiegend Funktionär, blickt auf, wird aber nicht zu Substanz, erlangt keine Schwerkraft? | Aurelia, Aurora, Clara, Lucinde, Nadja, Odile und Roberte – ein zufälliges Treffen im Café »Hinter den fehlenden Gründen«, hinter dem absoluten Zufall (Constance Quéniaux serviert und orchestriert) | Es gibt Texte, in die sich überall einsteigen lässt, und nach ein paar Zeilen ist man im Denken, sehr angenehm dorthin eingeladen – das ist schön. ||
Eine Art Summe, wo doch alles Summe ist: … die Umgebung des Unberührbarend-Berührten …
— Pause
Hätte Breton Nadja doch erfahrend erfassen können … So soll es nun an uns sein, daraus zu lernen.
Geburt
Odile gesellt sich gut zu Nadja und Roberte, gemeinsam lassen sie es zu, Derridas »Glas« eine dritte Spalte zu koordinieren – vielleicht muss diese aber leer sein, um bleiben zu können, leer bleiben, um sein zu können. Ich kann nichts dazu sagen. Im Moment des Fixieren-Wollens, des gedanklich Fassen-Wollens, ist es weg – ganz vage, filigran und zart, delikat wie eine Art sphärische Schrift, eher Ektoplasma usw. Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht wiederhole, Dich wiederholend.
a) b
b) a
Und nachdem wir nun abschließend dieses Bild sehen, sehen dürfen, erscheint uns (vielleicht) die Marquise de Merteuil und flüstert ihren Vornamen – Iseult. In diesem Moment wird alles klar, und wir treten vor den nächsten Schleier – vielleicht. Warten Sie auf den November, und schauen Sie, ob sich hier ein Fortführen findet. Das Bild b) a ist vorerst die Summe über den Beitrag