Witkacy – oder soll ich Staś sagen oder Stanisław oder Stanisław Ignacy Witkiewicz? Was soll man zu einem wie ihm denn sagen? Wie man ihn nennen möge, sagt er uns – Witkacy.
November 2022 | Rund 1.000 Tage habe ich darauf gewartet, dass ich einem Menschen begegne, mit dem ich Witkacys »Demonizm Zakopanego« ins Deutsche Hier und Jetzt übertragen kann.
Ich glaube, dass sich die Begegnung inzwischen ereignet hat. Vor etwas mehr als 100 Tagen fand ich (endlich?) mit Viola Conrad in Kontakt, die für das Magazin »Witkacy!« (von Google automatisch – und dadurch leider etwas unsauber – ins Deutsche übertragen, findet sich die Website hier ») einen Beitrag zu meinem Essay »Von Königsberg nach El Biar« schreiben wollte, nun schreiben wird. Frau Conrad kam mich besuchen, und wir haben in ein gutes Gespräch gefunden, in ein Gespräch, das sich fortwährend seinen eigenen Weg bahnt und uns dabei immer wieder überrascht. Viola Conrad lebt in Calw und ergänzt – als polnischstämmige Literatin und Philosophin – mein Anliegen recht genau so, wie ich es mir gewünscht habe. Mein Part kommt bei ihr ähnlich an. Ich unterstütze ihre Arbeit, wie es auf ihrer Seite gut ergänzt. Zu berichten gilt es – hier im ersten Schritt – noch, dass Frau Conrad im Jahre 2010 am Rande des märchenhaften Nationalparks Drawa (Drawieński Park Narodowy) in Polen eine Literarische Werkstatt für Aglaja Veteranyi gegründet hat. Sollten Sie an ihrer Werkstatt interessiert sein, können Sie sich gerne über das Kontaktformular meiner Seite an Viola Conrad wenden. Ich leite Ihre Nachricht an sie weiter. Vielleicht informieren Sie sich ja einmal über »Aglaja Veteranyi«? Sie kennen sie bereits? Ich kannte diesen besonderen Menschen und sein Werk bis dato nicht.
Auf den Text »Demonizm Zakopanego« » habe ich ja schon an anderer Stelle aufmerksam gemacht. Ein erster Versuch der Übertragung hat sich als zu flüchtig erwiesen, wird der Dichte des Werkes (ich nutze diese Bezeichnung, obwohl es sich ja nur um ein paar Seiten handelt) nicht gerecht. So wird es eben auch darum gehen, Witkacys Begriffe atmen zu lassen, während sie atmend eingeladen werden, sich im Deutschen niederzulassen, im Deutschen einhäusig zu werden, ihre mitgebrachte Kraft und Stimmung zu entfalten. Uns fallen bei der Begleitung gleich mehrfache Rollen zu. Wir müssen erst einmal völlig hinter den Text zurücktreten und ihm ganz freies Feld bereiten. Gemeinsam werden wir uns aus dieser Perspektive auf diese Perspektive verständigen. Gleichzeitig wollen wir tief in den Text hineinfinden, in den Text spüren, ihn, dem Wesen seiner Entwicklung folgend, ins Konkrete heben. Wieder und wieder kreisen wir um den Text, mit dem Text in den Text und lassen uns beständig von ihm lesen. Wohin mag eine solche Praxis führen? Notwendigkeiten werden sich zeigen und dem Projekt seinen Lauf bahnen.
Wir sind gespannt.
Dezember 2022 | Einläutung eines Anfangs (der Beginn des Anfangs als wesentlicher Anfang)
Vom 8. auf den 11. Dezember 2022 besuchte Małgorzata Sady (Polna 44 Institute ») – wie üblich – die Anthropologische Tagung in Zakopane (XII ZAKOPIAŃSKIE SPOTKANIA ANTROPOLOGICZNE). Diesmal, in ihrem zwölften Jahr, war sie dem Thema »Wdzięczność« (Dankbarkeit) gewidmet.
(Eine Video-Aufzeichnung der Veranstaltung hat die Stiftung »Fundacja Zakopiańczycy« auf Youtube » gestellt, allerdings nur auf Polnisch.)
In diesem Zusammenhange kam Małgorzata meinem Wunsch entgegen und hat mir ein kleines Säckchen Muttererde aus Zakopane von ihrem Aufenthalt mitgebracht. Unter welchen Umständen die Erde aufgesammelt, vorbereitet, verpackt und verschickt wurde, was sich sonst noch in dem Päckchen fand, werde ich hier nicht berichten wollen, bitte glauben Sie mir aber, dass auch hier diverse Überlegungen und Übereinkünfte zum Tragen kamen. Nachdem die Sendung bei mir eintraf, habe ich den Mutterboden in ein eigens dafür vorgesehenes Gefäß, eine kleine Schüssel aus Ton mit nach innen gerichteter Schnaupe gebettet. Die Schale habe ich vor einiger Zeit getöpfert, und jetzt wurde sie zum ersten Mal gefüllt. Anschließend wurde die Schale in einem Glasgefäß untergebracht, wobei das Säckchen des Transports nun als Unterlage dient.
(Auf dem rechten Bild nur schwer zu erkennen, sieht man, dass das blaue Leinen, direkt unter der Schnaupe, auch eine besondere Faltung aufweist – doch dies nur am Rande.)
Welche Bedeutung diese Installation im Zusammenhange mit der Übertragung des Textes nun einnehmen wird, und welche zusätzlichen Objekte in diesen Prozess wirken, werden Sie (und auch wir) hier sukzessive erfahren dürfen. Es gibt zwar einen Plan, dieser Plan ist aber eher als Impuls zu verstehen, als ein Impuls, der sich sein Ziel – erst in und durch Vollzug – selbständig zu setzen/finden weiß. Jetzt ist es noch verborgen. Rückblickend betrachtet wird man dann sehen können, wie der Sinn sich erschlossen hat, die Bedeutung sich (so) entschlossen hat, die Notwendigkeit aufscheint.
Die Fortsetzung der in Angriff genommenen Transsymbolisation wird in einem nächsten Schritt mit etwas Mutterboden aus Buenos Aires in Austausch treten. Einen ersten Hinweis finden Sie hier »
Dezember 2022 | Buenos Aires (zumindest ein kleiner Teil davon)
Als aufmerksamer Leser sind Sie ja sicher dem angebotenen Hinweis gefolgt? Sie sind soweit im Bilde … Auf dem Bilde zur Rechten sehen wir ein inneres Bild Witkacys. Nach dem Abend mit Witold Gombrowicz (sollten Sie diesbezüglich noch nicht im Bilde sein, lesen Sie bitte hier » weiter) hat er davon geträumt, den/einen gealterten Gödel portraitiert zu haben. Er hat den Traum dann rasch vergessen, doch bei uns kann und darf er nachklingen. Zurück zum Thema, zurück zum Demonizm Zakopanego.
Woher der Mutterboden zur Linken stammt, wissen Sie ja inzwischen – aus Buenos Aires. Genau genommen stammt er aus der Ciudad Oculta, vom Elefante blanco ». Sieben Jahre hat es nun gedauert, bis er aus der Teeverpackung fand, aus der Platiktüte ins Einmachglas fand. (Die Erde aus Zakopane hat diese Notwendigkeit gerufen.) Und die Geschichte, die dieses Geschichte (der Mutterboden) in sich trägt, entspricht dem Geschichte der Geschichte von Witkacy. Juno hat sich zu Bett begeben, eine Nacht sind die beiden Geschichte geschichtet, schreiben Geschichte ein.
Witkacy spricht
»Ich habe dort ein vorläufiges Dogma formuliert. Jedes geschaffene Ding und
jede ausgeführte Handlung bereichert die innere Erfahrung, ganz zu
schweigen davon, dass sie die Schaffung oder Vollendung von etwas Neuem
erleichtert oder sogar direkt bewirkt. Unerfüllte Absichten hingegen vergiften
die Seelen mit einer besonderen Art von psychischem Atem, der aus der
Zersetzung ungenutzter Kraft entstanden ist.«
Witold antwortet
»Ich erinnere mich, es ging Ihnen um die Bezifferung eines Wertes der
individuellen Erfahrungen im Verhältnis zu ihren tatsächlichen Ergebnissen.«
Es könnte der Eindruck entstehen, dass wir uns ganz vom Thema entfernen, dass wir den Faden verlieren, dass wir abdriften. Nein, wir finden auf dem angedachten Pfad mitten hinein, es läuft so, wie es uns erwartet hat, wie wir erwartet werden wollten. Und bald geht es weiter.
Januar 2023 | Es geht weiter, schrittweise geht es weiter in den Kreis
Der Mutterboden aus Buenos Aires hat nun – endlich – (auch) zu seinem Gefäß, in sein Gefäß gefunden, seine Form gefunden – Ton. Seine Umbettung ist abgeschlossen – vorläufig. Licht von ihm fernzuhalten, hat sich als notwendig erwiesen und scheint sich zu bewähren. Zur Rechten können wir ausmachen, wie die Erde aus Zakopane geschickt die Brechung des Lichts im Glasbehälter zu nutzen lernt (oder schlicht das Wissen darum zum Einsatz finden lässt). »The soul of the soil rises by refracting the enlightenment« – so oder zumindest so ähnlich. Gedanken brauchen wir uns (noch) keine zu machen. Die nach innen gerichtete Schnaupe, der zweite Erweis, dient als mächtige Schranke. Die Schale bleibt – in nuce – Schale.
Und der Text? Ja, es geht weiter, nimmt beständig Impuls auf, gerät fortlaufend in Bewegung. Langsamen Schrittes kriechen Witkacys Gedanken ins Deutsche. Wir haben ja Zeit, wir können den Weg gemeinsam erwandern und uns an der Strecke freuen. So taucht das ein oder andere auf, das Zeit für Beachtung fordern und finden kann, das Unternehmen als Unterfangen anreichert. Würden wir fliegen, wären wir schon da, hätten wohl sicher gut Verdünntes im Gepäck. Aber wir führen Angesäuertes mit uns, unser Teig entwickelt sich – wir kneten sanft, schauen zu, warten ab und ernten, ohne pflücken zu müssen. So kam vorgestern ein kleiner Esel zur Welt, der sich im Text versteckt hat. Die Übertragung hat ihn ins Licht gerückt – wie schön.
Und bald geht es weiter.
(weiterhin) Januar 2023 | Und schon geht es weiter
Es wurde Zeit, die beiden Zahire (Sie sind noch dabei, Sie können folgen?) zur Erde zu geben. In der Mitte der Schale sind sie auf einem kreisrunden Uhren-/Brillenglas mit einer recht moderaten Brechkraft (ca. zwei Dioptrien) untergebracht. Sämtliche Schritte der bevorstehenden »Großen Transsymbolisation« sind an diesem Objekt nun soweit abgeschlossen. (Ich spreche zwar von einem Objekt, inzwischen gilt diese Klassifikation allerdings nicht mehr als gesichert.)
Der Mutterboden von Zakope wartet noch darauf, dass er (gleichfalls zentral) mit einer Perle angereichert wird. Was es damit auf sich hat, werden Sie hier erfahren, sofern/sobald die entsprechende Perle eintrifft, wobei – bereits vorab – zu erwähnen ist, dass es nur sieben Perlen gibt, die dafür infrage kämen, die dafür vorgesehen sind, und eine davon (die Richtige) soll und wird es dann hoffentlich sein – an dieser Perle hängt alles. Abschnitt 1 ist übertragen. – Die Übertragung des nächsten Kapitels kann ihren Lauf nehmen.
Und bald geht es weiter.
März 2023 | Es ging inzwischen weiter
Unsere Übertragung ist nun abgeschlossen und wartet darauf, ihr Lektorat zu erfahren. Wir (Viola Conrad und ich) erinnern unseren Auftrag und ziehen ein Resumee. Wurden wir unserem Anspruch gerecht? Das Bild über dieser Passage möge als Visualisierung meiner Antwort verstanden werden. Wir mussten – hier und da – Abstand finden und nehmen, um dicht an Witkacy, dicht am Text, dicht am Auftrag zu bleiben. So mussten wir dem Text an einigen Stellen zusehen, wie er sich regelrecht selbst ins Deutsche pflanzte, so Blüten trieb, die weder wir noch er erwarteten. Jetzt sind sie da, haben mit uns eine Art Kreis geschlossen. Auf dem Tisch steht die Schale (die mit der Schnaupe nach innen, Sie erinnern sie?), in der Schale findet sich weiterhin der Mutterboden aus Zakopane und nun zusätzlich – die entscheidende Ingredienz –
diese P e r l e *
– in der Mitte. Die Konzentration zur Mitte hin entspricht der Entfaltung aus der Mitte heraus. Ein harmonisches Feld hat Einzug genommen. Kraft ruht im Raum, ohne ihn zu beschreiben. Bestimmendes und Unbestimmendes zirkulieren – ohne Bestimmtes oder Unbestimmtes hervorzubringen, hervorbringen zu müssen. Unser Geschichte, unsere Geschichte, die Geschichte der gemeinsamen Arbeit, der Gemeinsamkeit um die Arbeit und die Gemeinsamkeit über die Zeit haben in Prozess gefunden, haben – als Funktion – imaginär Substanz gefunden (i² = ‑1). Das Tertium bildet seine Entsprechung in die Symbolik des (Text-)Bildes (ab): Schale, Mutterboden und Perle. Nebeneinander und Nacheinander finden in ein Miteinander – Salti rückwärts vereiteln das übliche Kollabieren. [Was wohl Lessing dazu sagen würde?]
* zum Wesen der Perle werden wir später kommen, müssen wir gegenwärtig selbst noch begleitend vordringen.
Eine Ausnahme – dieser recht (gar völlig?) untypisch übertragene Absatz – mag stellvertretend für unser – Autor und Text verpflichtetem – Arbeiten stehen:
»Nic bowiem nie jest w stanie zniszczyć wspomnień piękności tej piekielnej zaiste krainy, tak jak nic nie jest w stanie zatrzeć skutków demonicznej miłości w duszy prawdziwego erotomana. Ani pełne melancholii jeziora Litwy, ukryte wśród wzgórz porosłych sosnowym i brzozowym lasem, ani tropikalne puszcze Indii, ani czerwone jak cegła pustynie Australii nie mogą zniszczyć wizji zakopiańskiej zimy, która ma w sobie żar tropików, zakopiańskiej wiosny, w której wszystko zdaje się nie rodzić, lecz umierać w strasznym, beznadziejnym smutku, ani lata we wnętrzu gór wśród granitowych kolosów, odbijających [się] w zielonobłękitnych jeziorach, ani jesieni, w której cała zakopiańska natura zdaje się istotnie rozkwitać w zniszczeniu i zepsuciu, rodzącym najcudowniejsze barwy.«
»Es ist nämlich nichts in der Lage, die Erinnerungen an die Schönheit dieses wahrlich höllischen Ortes zu zerstören, genauso wie nichts die Auswirkungen dämonischer Liebe in der Seele eines wahren Erotomanen auslöschen kann.
Weder die Litauer Seen, voller Melancholie,
versteckt zwischen den mit Kiefern- und Birkenwäldern bewachsenen Hügeln,
noch die tropischen Wälder Indiens,
noch die ziegelroten Wüsten Australiens
können die V i s i o n des Zakopaner Winters zerstören,
die sich auch in der Hitze der Tropen zeigt
und im Zakopaner Frühling,
in dem alles nicht geboren zu werden –
sondern in schrecklicher, hoffnungsloser Traurigkeit zu sterben – scheint
und auch nicht die Vision des Sommers
im Inneren der Berge zwischen Granitkolossen,
die sich in grünblauen Seen spiegeln,
und des Herbstes,
in dem die gesamte Natur von Zakopane wirklich in Zerstörung und Verderbnis zu blühen scheint,
die die wunderbarsten Farben entstehen lassen.«
Wie geht es weiter, wenn der Text lektoriert ist, begleitende Texte (eben auch zum grundsätzlichen Wesen, zum Phänomen der Übertragung) verfasst sind, die Struktur einer Publikation gefunden ist, das Ganze gestaltet und produziert wurde?
Bald sollen Sie es hier erfahren.
Mai 2023 | Das obere »Bald« hat ins Jetzt gefunden.
super rosa (et sub perla [oder eben margarita, für die, die den Gedanken sonst nicht mitgehen wollen])
Jetzt ist es soweit. Alles Notwendige hat an geeigneten Platz gefunden, jetzt braucht es noch das Hinreichende, welches aber gut überschaubar, regelrecht kalkulierbar ist (Leistung als Arbeit pro Zeit).
Ach ja, Julita Delbar, die Fotografin, die mich mit dem heiteren Portrait erfreut, ist über diesen Link » erreichbar.
Mai 2023 | Das obere »Jetzt«, genau jetzt – also immer.
Alles hat in die Konzentration gefunden – endlich – wunderbar. Ja ja, es mag sich nicht erschließen, was da in welche Form welcher Konzentration gefunden hat. Aber vielleicht ist es für den ein oder anderen ja gerade das, gerade diese Unklarheit, diese Unsicherheit, die ein Beschreiten noch ungewohnter Wege ermöglicht. Dass das exakt (ganz sanft) den Punkt trifft und doch auf keine Kuhhaut geht, soviel darf, nein soll, nein muss (genau) jetzt guten Gewissens angemerkt werden – oder?
Wenn Sie es kaum mehr erwarten können, endlich die Übersetzung in Ihren Händen zu wissen, können Sie gerne auf mich zufinden. Sonst gilt es, weiter zu warten, bis ich Sie hier auf die Veröffentlichung aufmerksam machen darf.
endlich!
Das Warten sollte sich gelohnt haben. Hier » können Sie den Text als PDF-Dokument laden. Die Datei ist so angelegt, dass sie sich als Heft drucken lässt. Viele Freude bei der Lektüre!